Nicht erst seit gestern beklagen bergische Unternehmer einen Mangel an Fachkräften. Doch seltsam - zeitweilig stieg das Ausbildungsangebot nicht, sondern es sank. Läutet die jüngste Bilanz der Agentur für Arbeit nun eine Trendwende ein? In diesem Jahr meldeten Remscheider Unternehmen bislang 601 Ausbildungsstellen, 13 Stellen bzw. 2,2 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. War ein Grund für die zeitweilig unübersehbare Zurückhaltung in puncto zusätzliche Ausbildungsplätze, dass manche Jugendliche nicht den Anforderungen der Ausbildungsbetriebe entsprachen? Wie auch immer für lernwillige und beruflich motivierte ungelernte Mitarbeiter, die von ihren Vorgesetzten geschätzt werden, kann sich aus dieser Situation eine Chance für ihr weiteres Berufsleben ergeben. Die Agentur für Arbeit hat diese Chance WeGebAU getauft. Das steht für Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Arbeitnehmer in Unternehmen. Das Förderprogramm wurde bereits 2006 aufgelegt und 2012 modifiziert und gilt Personen ohne Berufsabschluss (oder mit Berufsabschluss, wenn sie seit mindestens vier Jahren statt ihres erlernten Berufs eine ungelernte Tätigkeit ausüben). Auf diese Möglichkeit machte in diesem Jahr Martina Wildförster, Qualifizierungsberaterin der Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal, zwei Mitarbeiter der Lenneper Firma Sapa Precision Tubing Remscheid GmbH, Leverkuser Straße 66, aufmerksam: Maik Dörpinghaus (26) und Mauro Mocco (28). Der eine hatte seine Gärtnerlehre mit der Gesellenprüfung abgeschlossen, arbeitet aber schon seit vier Jahren als ungelernte Kraft bei Sapa in der Fertigung von Kühlungsrohren für die Automobilindustrie. Ebenso lange wie Mauro Mocco, der damals aus Sardinien nach Deutschland kam. In seiner Heimat hatte er als ungelernter Elektriker gearbeitet. Was beide gemeinsam haben: Den Willen, sich beruflich weiterzubilden, und die Erkenntnis, dass auch in den nächsten Jahren Facharbeiter in der heimischen Wirtschaft sehr gefragt sein werden, ungelernte Kräfte dagegen zunehmend weniger. Und weil sich Martina Wildförster von der Arbeitsagentur, bei der sie nachgefragt hatten, bei Stefanie Kaschull, Personalleiterin von Sapa, Interesse an WeGebAU wecken konnte, hat für Maik Dörpinghaus jetzt eine Umschulung zur Fachkraft Lagerlogistik Begonnen und für Mauro Mocco zum Fertigungsmechaniker für Maschinen- und Anlagentechnik bei gleichem Lohn. Lehrgangskosten und ein Zuschuss zu den notwendigen übrigen Weiterbildungskosten (z.B. Fahrkosten) ersetzt ihen die Agentur für Arbeit.
Besser, wie unterstützen diese Weiterbildung jetzt finanziell, als dass wir später zwei ungelernte Langzeitarbeitslose haben, die nicht vermittelbar sind, so Martina Wildförster gestern in einer Pressekonferenz bei Sapa auf dem Gelände von Oerlikon Barmag. Mit dabei neben den beiden Umschülern neben Stefanie Kaschull und Ausbildungsleiter Paul Jerlitschka auch Geschäftsführer Sven Kokemor. Er hatte der betrieblichen Umschulung zugestimmt. Die Agentur für Arbeit wirbt dafür in einem Faltblatt bei den Arbeitgebern so: Je besser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf neue Anforderungen vorbereitet sind, umso besser für das Unternehmen. Geben Sie deshalb Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Chance, sich beruflich weiterzubilden! Nutzen Sie die Stärken Ihrer Mitarbeiter! Sie selbst beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Ihr Unternehmen, die Produkte und die Kunden gut kennen und auf die Sie sich unbedingt verlassen können. Wo die Qualifikation dieser bewährten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch nicht oder nicht mehr ganz den Bedürfnissen Ihres Betriebes entspricht, können Sie mit Hilfe der Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit die Qualifizierungslücke schließen.
Und das ohne große Eigenmittel. Zwar stellt Sapa im konkreten Fall für die Weiterbildung von Maik Dörpinghaus Mauro Mocco zwei neue Mitarbeiter befristet ein, erhält von der Arbeitsagentur aber auch einen Zuschuss in Höhe von insgesamt 100.000 Euro als Zuschuss zum Arbeitsentgelt und zu den Sozialversicherungsbeiträgen während der Zeit Qualifizierung. (Von August 2015 bis Juli 2017 drücken beide in der Berufsschule gemeinsam mit Jugendlichen wieder die Schulbank, um den theoretischen Hintergrund zu Handgriffen zu lernen, die sie in der Praxis häufig bereits angewendet haben. Mit den Prüfungen vor der IHK im Sommer 2017 erhalten die Arbeitnehmer einen vollwertigen Berufsabschluss).
Der Jahresetat von Martina Wildförster für WeGebAU liegt gegenwärtig bei 2,6 Millionen Euro und hat noch Luft nach oben. Insgesamt betreut sie derzeit allein in Remscheid 48 ältere Berufsschüler. Insgesamt werden es im Oktober, wenn 20 angehende Altenpflegerinnen hinzukommen, im bergischen Städtedreieck 76 sein. Durchschnittlich 100 werden angestrebt. Eine durchaus realistische Zahl. Denn die Zahl der Betriebe, die auf die Weiterbildung ihrer Beschäftigten bauen, ist nach Angaben der Arbeitsagentur so hoch wie nie. Arbeitgeber aus Solingen und Remscheid erhalten bei der Qualifizierungsberaterin eine ausführliche Beratung unter Telefon RS 4606-553 über Voraussetzungen und Möglichkeiten des Förderprogramms, Arbeitgeber aus Wuppertal bei Qualifizierungsberater Christian Mihaly unter Tel. 0202 2828-729.