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Erinnerungen an ein wunderschönes Land, die Ukraine

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Freitagabend in der SPD-Geschäftsstelle am Ebertplatz: Eröffnung einer Ausstellung mit Fotos über die Ukraine von Gerd Krauskopf (rechts). Links im Bild der SPD-Unterbezirksvorsitzende Sven Wiertz; Bildmitte: der langjährige Hörfunkkorrespondent des WDR in Moskau, der Remscheider Horst Kläuser. Er sprach die einleitenden Worte. Im Selbstverlag hat Krauskopf die Fotos auch als Buch herausgebracht. Die Fotoausstellung in der SPD Remscheid ist noch bis Weihnachten zu sehen. Der Bildband mit S/W-Fotos auf 112 Seiten ist zum Preis von 72,25 € zzgl. MwSt und Versand online zu bestellen.

von Gerd Krauskopf 

Erinnerungen an ein wunderschönes Land, die Ukraine, sind auch Erinnerungen an wunderbare Menschen. Bei meiner Schiffstour 2012 von Odessa über das Schwarze Meer hinüber zur Krim und weiter über den Dnjepr hinauf nach Kiew war ich noch begeistert von diesem wunderschönen Land, fasziniert von den Menschen, der Kultur des Landes, einer entwaffnenden Gelassenheit im Alltag. Für mich waren es Vertrauen erweckende Gesichter an einem so ganz anderen Ort. Dabei suche ich den Alltag dieser Menschen statt deren Ausnahmezustand, kein Action, Poesie statt Politik.

Und die Politik dieses so wunderschönen Landes hat mich dann auf schockierende Weise eingeholt. Ich habe schlichtweg Angst. Ich weiß nicht, wie es dort weiter gehen soll. Lassen Sie mich ein Beispiel bringen von Vasiliy, jenem Afghanistan-Offizier, den ich auf der Krim in Sewastopol kennengelernt habe. Da stand er mit einer kleinen Veteranengruppe vor einem heroisch aufgestellten Panzer, der zu den ersten zählte, die nach der deutschen Besetzung 1944 in die Stadt eingerollt waren. Dabei fielen mir seine strahlenden Augen sofort auf. Seine Würde und Freundlichkeit sprachen mich sofort an, wie er da in strammer Haltung stand und sich auf seine Urkunde freute, die er für seine Beteiligung an einer Rallye an diesem Tag über die Krim bekommen sollte. Allen hat der besondere Tag so gut gefallen, dass sich die Tschernobyl-Veteranen darauf hin jedes Jahr treffen wollten, um etwas Besonderes zu machen. „Mal rauskommen aus dem trostlosen Alltag“ - darauf freute sich Vasiliy damals sehr.

Wie der ehemalige Offizier das so traurig sagte, der für sein Vaterland in Afghanistan gekämpft hat und der vor genau 25 Jahren als Feuerwehrmann mit seiner „Krimeinheit Nord“ nach Tschernobyl für ein halbes Jahr abkommandiert wurde, da hatte das Leuchten in seinen Augen ein Ende. Da zeigte er mit ausgestrecktem Arm und wütendem Gesicht auf seinen besten Freund, der mit Orden hoch dekoriert etwas abseits stand und mit Gleichgesinnten debattierte, dabei seine Urkunde fest in der Hand hielt. „Krebs im 4. Stadium hat er und lebt nur noch mit Morphium“, sagte er mit heiserer Stimme. „Dabei bekommen wir vom Staat nicht mal einen Hryvnia Unterstützung. Nichts, gar nichts zahlt man uns für unseren Schmerz, den wir täglich erleiden müssen. Selbst meine Medikamente muss ich noch selbst bezahlen“. Dabei hatten sie schon die allermeisten Tschernobyl-Veteranen zu Grabe getragen. „Weißt Du, das Schlimme ist, in einem Krieg hast Du einen Feind, aber in Tschernobyl,“ und dann versagte seine heisere Stimme und er wendete sich von mir ab und geht davon.

Heute frage ich mich, wie es ihm wohl auf der Krim geht? Bekommt er heute wirklich von den Russen den dreifachen Sold – wie es hier durch die Presse ging - und werden jetzt seine Medikamente vom neuen Machthaber bezahlt? Immer stelle ich mir dabei die Frage, wie ein Ort die Menschen prägt und umgekehrt, Menschen einem Ort seine Besonderheit verleihen. Irgendwann jedenfalls hoffe ich, wieder in diese Gesichter schauen zu können in einem Land, das im Aufbruch war auf dem Weg, sich westlich zu orientieren. Ein Land, das es heute so nicht mehr gibt. Von Menschen, die heute nicht mehr so unbefangen in meine Kamera schauen würden.


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