Welche schriftlichen und sonstigen Quellen liegen zur Geschichte des Lenneper Kreishauses (zum Beispiel im Stadtarchiv) in der Zeit der NS-Diktatur vor?, wollte die CDU-Fraktion der Bezirksvertretung Lennep wissen und bekam in der Sitzung am vergangenen Mittwoch von der Verwaltung eine Antwort (auf Grundlage einer Ausarbeitung des Historischen Zentrums). Demnach findet sich in den städtischen Akten kein amtlicher Hinweis auf die Nutzung des ehemaligen Kreishauses durch SA und SS. Doch dem Lenneper Adressbuch von 1935 zufolge sei im damaligen Hermann-Göring-Haus die NSDAP-Ortsgruppe Lennep sowie die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) und die Nationalsozialistische Handwerks-/Handels- und Gewerbeorganisation (NS-Hago) untergebracht gewesen. Ein Hinweis auf SA oder SS findet sich aber auch dort nicht. Auch in den Verwaltungsberichten der Stadt Remscheid von 1933 bzw. 1934 werde das Gebäude Kölner Str. 82 (bzw. seinerzeit Hermann-Göring-Str. 82) mit keinem Wort erwähnt. Die Untere Denkmalbehörde besitzt ebenfalls keine sich aus der Bauakte ergebenden Informationen über die Nutzung des 1888 erbauten Kreishauses in den Jahren 1933-1934, so die Verwaltung mi ihrer Mitteilungsvorlage für die BV Lennep. Erst im folgenden Teil ihrer Stellungnahme nennt die Stadt in ihrer Mitteilungsvorlage Funkstellen zu den Aktivitäten von SS und SA in Lennep.
Wer suchen will, kann fündig werden
Einzig die Wiedergutmachungsakten geben Auskunft über Misshandlungen im ehemaligen Kreishaus. Die Namen der Misshandelten sind durch die Recherchen von Armin Breidenbach bekannt. Ob es weitere Zeugenaussagen dieser Art gibt, kann nur durch systematische Durchsicht der 1.197 Wiedergutmachungsakten hier im Archiv festgestellt werden. Diese aufwendige Recherche kann durch das Archivpersonal leider auf absehbare Zeit nicht geleistet werden, wäre jedoch eine lohnende Aufgabe für eine/n Historiker/in, so die Stadt weiter. Die Wiedergutmachungsakten seien als Quelle geeignet, Zeugnis von den Folterungen abzulegen und Hinweise auf die Täter zu geben, die im Übrigen teilweise wegen dieser Taten 1949 vor Gericht gestanden hätten. Hier könnte man für weitere Informationen eine Anfrage ans Landesarchiv NRW Abtl. Rheinland richten; möglicherweise sind die Akten dort im Bestand. Um mehr über die Täter zu erfahren, könnte man auch eine Anfrage ans Bundesarchiv (Akten des ehem. Berlin Document Center) richten, allerdings kann es mehrere Monate dauern, bis eine Antwort erfolgt. Da es im Remscheider Stadtarchiv keine amtlichen Belege für die Nutzung des Hauses durch SA und SS gebe, könnten als Quelle darüber hinaus nur noch Zeitungsartikel herangezogen werden. Sowohl das Lenneper Kreisblatt als auch der Remscheider Generalanzeiger habe damals von der Übergabe des seit der Eingemeindung von Lennep nach Remscheid leer stehenden Gebäudes Hermann-Göring-Straße 82 an die NSDAP berichtet. In einem Artikel des Lenneper Kreisblattes vom 12. April 1933 werde die Aufteilung der übernommenen Räume geschildert. Demnach waren gleich rechts vom Eingang der Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand [ ], die Räume für die Betriebszellen-Organisation, für den Motor-Sturm, ferner für die SS und die Kriegsopferversorgung; links vom Eingang [befand] sich die Wachtstube der SA, der Raum für den SA-Führer und der Unterkunftsraum für die SA selbst. Im ehemaligen Beratungszimmer des Kreisausschusses war der Sturmbann untergebracht. (Später war ausweislich des Adressbuchs von 1935 im selben Gebäude auch die NS-Volkswohlfahrt und die NS-Frauenschaft untergebracht.) Die Misshandlungen haben sich daher anscheinend in der unteren Etage, linke Seite abgespielt.
Aus einem Artikel des Lenneper Kreisblattes vom 24. April 1933 kann man ersehen, dass das Kreishaus als Hermann-Göring-Heim am 22. April 1933 eingeweiht wurde. Noch im selben Monat fanden die ersten als Verhöre bezeichneten Folterungen statt (siehe Wiedergutmachungsakte). Wann diese ihr Ende fanden, ist der Stadt Remscheid nicht bekannt. Zu Folterungen sei es ausweislich einer Wiedergutmachungsakte auch noch im November 1933 gekommen. Was sich 1933 und 1934 in dem Gebäude abgespielt hat, wurde der Öffentlichkeit (abgesehen von Augen- oder Ohrenzeugen) erst bekannt, als die Zeitungen im Juli 1949 von den Verfahren gegen die Täter berichteten. So berichtete das Rhein-Echo in seiner Ausgabe vom 21. Juli 1949 über ein Verfahren vor dem Wuppertaler Schwurgericht, in dem der SS-Unterscharführer Heinz Berg und Heinrich Schnettker (SS) wegen schwerer Misshandlung der KPD-Funktionäre Leukert, Köster und Hahnenfurth im Hermann-Göring-Haus. Sie seien zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Des Weiteren verweist die Verwaltung auf eine Dissertation von David Thompson, wonach sich Anwohner der Straßen rund um den regionalen Hauptsitz der NSDAP in Lennep, das Hermann-Göring-Haus, vor der Polizeistation versammelten, um sich über die Behandlung von Verdächtigen durch die SA zu beschweren. Diese Anwohner waren alarmiert worden durch die Schreie gefolterter Gefangener über einen Zeitraum von mehreren Tagen nach einer Razzia gegen Verdächtige. Von dem misshandelten Verdächtigen wurden nach seiner Entlassung Fotos gemacht und schließlich als Beweise vorgelegt bei einer Gerichtsverhandlung gegen drei örtliche SA Männer nach dem Krieg. Es ist nicht bekannt, ob die Polizei Schritte unternahm, solche Praktiken in Lennep zu drosseln, und es gab Gerüchte, dass einige der Anwohner selbst mit Gefängnis bedroht wurden, wenn sie die Angelegenheit weiter verfolgten. Verwiesen wird weiter auch einen Bericht Armin Breidenbach vom 18.11.2000 im RGA über das Kreishaus als Folterstätte der SA und den Beitrag Es erblüht eine weiße Rose von Ilse Faeskorn über die Widerstandsgruppe um Hans Salz, in dem sie Bezug nimmt auf die Verhöre im Kreishaus.
Die Verwaltung abschließend: Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es im Stadtarchiv Remscheid keine amtlichen Quellen gibt, die die im ehemaligen Lenneper Kreishaus erfolgten Misshandlungen durch SA und SS belegen, abgesehen von den Aussagen der Betroffenen, die sich in den Wiedergutmachungsakten finden. Diese allerdings sind sehr präzise in ihrem Inhalt, auch was die Angaben bezüglich der Täter betrifft (die daraufhin auch teilweise verurteilt wurden). Insofern können die Opfer, derer erinnert werden sollte, durchaus namhaft gemacht werden. Zeitgenössische Zeitungsartikel belegen zudem, dass und in welchem Umfang das Haus tatsächlich durch die Lenneper SA genutzt wurde. Eine Form der Erinnerung könnte die Anbringung einer Gedenktafel sein, wie sie beispielsweise an der ehem. Polizeikaserne Uhlandstraße (Foto rechts) angebracht wurde. Sofern möglich, sollte auf das Schicksal der namentlich bekannten Opfer hingewiesen werden, bspw. durch Kurzbiographien und Fotodokumente.