Jetzt sind wir frei. Endlich mal frei, dass wir auch mal alleine sein können, formuliert Bewohnerin Elisabeth Halip ihren Einzug in die ersten eigenen vier Wände, in die sie gemeinsam mit ihrem Mann Florian gezogen ist. Das Zitat stammt aus dem mit Unterstützung der Aktion Mensch von der Filmemacherin Karla Stindt geschaffenen Film über die Entstehung einer besonderen Wohngemeinschaft (WG), der gestern am Ort der Handlung gezeigt wurde im Neubau Gerhart Hauptmann Straße 4. Acht Jahre dauerte es, bevor der Traum von elf jungen Erwachsene mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen/Behinderungen vom eigenen Heim mit Ausdauer und Unterstützung der evangelischen Stiftung Hephata und der Remscheider Wohnungsgesellschaft GEWAG Wirklichkeit wurde. Und das feierten die Bewohner/innen der WG - nachdem sich alle bestens eingelebt hatten gestern fröhlich. Zur Eröffnungsfeier kamen auch Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz, Bezirksbürgermeister Ernst-Otto Mähler (Alt-Remscheid) und Bezirksbürgermeister Stefan Grote (Südbezirk), Gabi Leitzbach, die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, GEWAG-Vorstand Hans-Jürgen Behrendt und die beiden Vorstände der Evangelischen Stiftung Hephata, Christian Dopheide und Klaus-Dieter Tichy.
Junge Behinderte freuen sich auf ihre Wohnanlage, berichtete der Waterbölles am 29. Oktober 2016, nachdem Jürgen Behrendt auf dem Grundstück Gerhart-Hauptmann-Str. 6 (wo zuvor ein altes Mietshaus abgerissen worden war) der symbolischen Spatenstich getan hatte. Das innovative Wohnkonzept bietet jungen Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, als Gruppe oder auch individuell gemeinschaftlich zu leben!, hatte er damals erklärt, wohlwissend, dass die Elterngemeinschaft, die 2013 auf die GEWAG zugekommen war auf der Suche nach bezahlbarem sozialen Wohnraum für ihre Kinder, in der Stiftung Hephata Wohnen gGmbH aus Mönchengladbach den notwendigen Organisator zur Pflege und Betreuung der jungen Erwachsenen unterschiedlichen Grade der Selbstversorgungsmöglichkeit gefunden hatte.
Akzeptanz, Toleranz und Orientierung am Wohl des Einzelnen, Verlässlichkeit, Solidarität, Integration in die Gemeinschaft und die Förderung der Inklusion sind die Inhalte eines Kontinuitätsversprechens, das die Stiftung den Menschen gibt. Zitat aus dem Leitbild der Stiftung: Wir orientieren uns am Bedarf derer, die unsere soziale Dienstleistung nachfragen. Wir begegnen ihnen mit Respekt, auf Augenhöhe. Wir unterstützen sie darin, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Wir stärken ihre Potentiale und legen Wert auf jeden Beitrag, den sie leisten können. Angehörige und gesetzliche Betreuer sind wichtige Fürsprecher unserer Kunden. Wir arbeiten partnerschaftlich mit ihnen zusammen.
Dem fühlen sich auch Andreas Willinghöfer und Nadia Pauschert verpflichtet, als Regionalleiter / stellvertretende Regionalleiterin für die neue WG in Remscheid zuständig. Für diese hat die Stiftung fünf Vollzeitstellen eingerichtet, besetzt mit zehn bis zwölf Mitarbeiter/innen in Voll- bzw. Teilzeit. So wird sichergestellt, dass die Bewohner/innen bei Bedarf schnell die Hilfe erhalten können, die sie brauchen. Dass niemand bemuttert wird, ist ungeschriebenes Gesetz. So kann Selbständigkeit am besten gefördert werden.
Seit mehr als 150 Jahren die evangelische Hephata-Stiftung Menschen, ihr Leben so selbständig und selbstbestimmt wie möglich zu gestalten. Dafür tritt sie in Nordrhein-Westfalen inzwischen an mehr als 40 Orten ein, in Remscheid nicht nur an der Gerhart-Hauptmann-Straße, sondern auch an der Eschenstraße. Dort war in einer ehemaligen Pizzeria schon früher eine WG für vier behinderte Frauen eingerichtet worden. Und eine dritte WG mit Hilfe einer anderen örtlichen Wohnungsbaugesellschaft zeichne sich bereits ab, sagte Hans-Willi Pastors von der Hephata-Stabsstelle Regionalentwicklung gestern dem Waterbölles. Seine Aufgabe ist es, Gruppen von wohnungssuchenden Behinderten mit Kommunen und Investoren zusammen zu bringen. Das war auch mit Hans-Jürgen Behrendt und Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz gelungen. Der OB bei der gestrigen Einweihungsfeier: Es freut mich, dass alles so gut geklappt hat!
Der Neubau hat eine gute Anbindung an den regionalen ÖPNV und liegt in räumlicher Nähe zu Geschäften mit Dinge des täglichen Bedarfs, war nach den Vorstellungen der Stiftung Hephata also geradezu ideal. Die GEWAG kalkulierte die 550 Quadratmeter Wohn-/Gemeinschaftsfläche mit rd. 1,6 Millionen , Geothermie eingeschlossen. Das ergab einen Mietpreis für die 45 bzw. 77 Quadratmeter großen Wohnungen, der bei 5,25 Euro pro Quadratmeter liegt. Die Wohnungen sind barrierefrei und zum Teil rollstuhlgerecht und verfügen über einen gemeinsamen Bereich zum Kochen und Essen, für Freizeitgestaltung und andere Aktivitäten, sowie über ein großes Pflegebad. In dem Haus wohnen acht junge Erwachsene zusammen in einer WG und fünf [drei Alleinstehende und ein Ehepaar, Florian (29) und Elisabeth (27) Halip] in getrennten Wohnungen. Am 18. Juli werden die Halips fünf Jahre verheiratet sein. In der neuen Gemeinschaft an der Gerhart-Hauptmann-Straße fühlen sie sich nach eigenen Worten rundum wohl: Wir sind wirklich froh, hier leben zu können! Wobei sie sich immer freuen, wenn die Eltern zu Besuch kommen und sie selbst die Gastgeber sind.