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Netzwerk für Wohnungslose muss enger werden

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„Wunsch nach einem ‚Dauerwohnheim‘ unerfüllt“, überschrieb der Waterbölles am 29. April 2017 den Jahresbericht 2016 von Ute Schlichting, Leiterin des Fachbereichs "Wohnungsnotfallhilfen“ beim Caritasverband Remscheid. Der ist seit 1981 in der Wohnungslosenhilfe tätig und beobachtet die steigende Zahl von Wohnungslosen mit Sorge. Ute Schlichting: „2010 gab es in Deutschland 248.000 Wohnungslose. 2016 waren es 335.000 und für 2018 sind 536.000 prognostiziert!“

Auch die Stadt Remscheid registriert steigende Zahlen. In der Verwaltung nimmt der Fachdienst Jugend, Soziales und Wohnen (2.51.6/1 – Zentrale Fachstelle für Wohnungsnotfallhilfen) die Aufgaben der Wohnungsnotfallhilfe wahr. Es geht dabei um Leistungen zum Wohnungserhalt oder zur Wohnungsbeschaffung für Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen oder die in inakzeptablen Wohnverhältnissen leben. Sofern akut Obdachlosigkeit droht, wird die Unterbringung in städtische Obdachlosenunterkünfte veranlasst. Ziel bleibt aber grundsätzlich die Versorgung mit Normalwohnraum. Und diesem Ziel soll sich künftig ein engeres Netzwerk von mehreren Akteuren widmen.

Deshalb will die Stadt zunächst am Aktionsprogramm  „Hilfen in Wohnungsnotfällen / Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Wohnungslosigkeit“ des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen teilnehmen, um fachkundigen Rat zu bekommen. In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses steht am morgigen Donnerstag der Antrag auf der Tagesordnung, im kommenden Jahr für dieses Projekt 15.990,15 € bereitzustellen unter der Voraussetzung, dass das Land davon 12.792,12 €  (= 80 Prozent) übernimmt. Stimmt der Ausschuss und am 14. Dezember auch der Rat der Stadt zu, kann der Förderantrag sofort gestellt werden. Sozialdezernent Thomas Neuhaus geht von einem Bewilligungsbescheid Anfang 2018 aus.

 Bereits in den Jahren 1999 – 2002 wurde in Remscheid für Menschen in Wohnungsnotlagen ein trägerübergreifendes Gesamtkonzept erstellt, das bis heute die Grundlage der örtlichen Wohnungsnotfallhilfe ist. Fachlich begleitet wurde dieses Konzept damals durch Dr. Ekke-Ulf Ruhstrat von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung (GISS) e.V. in Bremen. Der Landeszuschuss soll die Stadt 2018 in die Lage versetzen, sich seiner Beratungsdienste erneut bedienen zu können. Denn gegenwärtige Hilfesystem „stößt zunehmend an seine Grenzen“, wie es in der Beschlussvorlage heißt. Das liegt zum einen

  • an veränderten Rahmenbedingungen (Reformen der Sozialgesetzgebung, damit verbunden Änderungen bei den Schnittstellen zum Jobcenter und zum Caritasverband)
  • an steigenden Fallzahlen, bedingt durch vermehrte Schuldenproblematik (Haushaltsschulden, Miet- und Energieschulden, oftmals in Kombination) und verstärkt auftretende persönliche Problematiken (Sucht- und psychosomatische Erkrankungen)
  • an Veränderungen am Wohnungsmarkt (steigende Nachfrage bei sinkendem Angebot, insbesondere im öffentlich geförderten Wohnungsbau; zunehmende Bereitschaft der Vermieter zu Räumungsklageverfahren ohne außergerichtliche Einigung).

In der Folge sei im Einzelfall nötige Aufwand zum Erhalt/zur Erlangung einer eigenen Wohnung deutlich größer geworden und die Verweildauern von Betroffenen in den städtischen Unterkünften generell gestiegen, so die Verwaltung. Zitat: „Es wird zunehmend schwieriger, ... geeigneten und preislich angemessenen Wohnraum zu finden“. Von Vermietern, insbesondere Privatvermieter) werde es angesichts des finanziellen Ausfallrisikos zunehmend abgelehnt, Wohnraum an Menschen in Wohnungsnotlagen zu vermieten. Ergebnis: „Die Unterbringung in dem letzten in Remscheid verbliebenen zentralen Obdachlosenheim (vorgesehen nur für erwachsene Einzelpersonen) erweist sich in einer zunehmenden Zahl von Wohnungsnotfällen als Dauerlösung, bei der der die Unterbringungsdauer inzwischen größtenteils mehrere Jahre beträgt. Ein Teil dieser Betroffenen ist aufgrund ihrer persönlichen, vielschichtigen Problematiken bis auf weiteres oder gar dauerhaft nicht in der Lage, vom Gesamthilfesystem erfolgreich erfasst zu werden. Diese Menschen können auf dem Wohnungsmarkt nicht Fuß fassen und keinen selbständigen Haushalt mehr führen. Die Unterkunft wird den speziellen Hilfebedürfnissen dieser Menschen nicht gerecht, für sie fehlt eine befriedigende Antwort des Hilfesystems auf ihre Notlage.“ Und ein anderer Teil der Betroffenen verliere mit Ankunft in der Obdachlosenunterkunft seine letzten sozialen Bindungen. Für diese Hilfesuchenden müsse das Gesamthilfesystem eine andere Antwort finden als die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft.

Aufgabe von Dr. Ekke-Ulf Ruhstrat wird es sein, das lokale Hilfesystem in Remscheid „einer Stärken- und Schwächenanalyse zu unterziehen und zukunftsfähige Strategien zu entwickeln, die die Steuerungsmöglichkeiten in der Wohnungsnotfallhilfe verbessern“, so die Vorlage. In einem Aufsatz schreibt der Wissenschaftler im Internet, „Unter der Perspektive einer bedarfsgerechten Hilfe für alle von Wohnungslosigkeit Bedrohten und Betroffenen gibt es zu integrierten trägerübergreifenden Hilfekonzepten keine Alternative. Diese Erkenntnis ist nicht neu, nach wie vor besteht aber ein Handlungs- und Umsetzungsdefizit.“


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