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Zwei Koffer mit Kleidung war alles, was wir dabei hatten

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Johannes Natschke, geboren 04.03.1933 in Danzig, seit 1980 in Remscheid:

„Danzig (polnisch Gdansk ) ist eine Hafenstadt und ehemalige Hansestadt in Polen. Sie liegt westlich der Weichselmündung in der historischen Landschaft Pommerellen und ist Hauptstadt der Woiwodschaft Pommern. Die Stadt hat über 450.000 Einwohner (Stand 2007) Ende März 1945 wurde Danzig von der Roten Armee im Zuge der Schlacht um Ostpommern eingeschlossen und erobert. Während und nach dem Einmarsch wurden die noch erhaltenen Häuser der Innenstadt von den sowjetischen Soldaten geplündert und in Brand gesteckt. Insgesamt wurde ein sehr hoher Anteil der Bebauung zerstört.

Bereits in den ersten Nachkriegsmonaten wurden die meisten in Danzig verbliebenen Deutschen von den sowjetischen Besatzern und polnischen Behörden vertrieben. Zurück blieb eine Minderheit von etwa fünf Prozent der ursprünglichen Stadtbevölkerung mit zumeist auch polnischen Vorfahren. Die Vertreibung wurde von den polnischen Behörden geduldet und nicht wie oft fälschlicherweise angenommen "systematisch" vorbereitet. Aufgrund des Bierut-Dekretes wurde das Eigentum von Personen deutscher Nationalität und Herkunft enteignet. Straftaten, die gegen die deutsche Zivilbevölkerung begangen wurden hat man juristisch nur bedingt verfolgt.

Ich bin in Danzig geboren und bis 1947 aufgewachsen. Mein Vater verstarb 1942, meine Mutter 1947. Damals, in Danzig, war ich Mitglied vom Jungvolk und nach den mir bekannten Informationen auch richtig stolz, dort Mitglied zu sein. Nach dem Tod meiner Mutter bin ich zu meiner Tante (Schwester meiner Mutter) aufs Land nach Zuckau gezogen; Zuckau war damals bereits polnisch. In Danzig erging wie überall der Aufruf, dass die Deutschen ihre Wohnungen verlassen sollten. Da ich zu der Zeit erst 14 Jahre alt war, verblieb ich bei meiner Tante. Dort habe ich dann auch erst polnisch gelernt. Mit 18 Jahren erhielt ich automatisch einen polnischen Pass.

Ich habe eine Tischlerlehre und 1951 meinen Gesellenbrief gemacht, 1953 habe ich geheiratet. Ich bin zu meiner Frau nach Kalbude gezogen, das gehörte zur Freistadt Danzig. Über eine Ausreise haben wir uns zunächst keine Gedanken gemacht. Ich hatte in Gelsenkirchen eine Tante und einen Onkel sowie eine Tante in Remscheid. Wir haben uns immer Briefe geschrieben und Päckchen geschickt. Eine Nachbarin aus Kalbude, die selbst nach Deutschland ausgereist war, hatte uns versprochen, uns nach Deutschland einzuladen. Sie wollte uns ein Visum schicken, damit wir in Deutschland bleiben könnten. Das war 1978 oder 1979.

Natürlich hatten wir davon gehört, dass man unter gewissen Bedingungen ausreisen konnte; die Bedingungen kannten wir aber nicht. Wir wussten auch nicht, was uns erwarten würde. Es gab Äußerungen, dass insbesondere Westdeutsche Kapitalisten und /oder Nazis wären. Außerdem hatten viele Bekannte Absagen für die Ausreise erhalten. Ich habe dann doch einen Ausreiseantrag gestellt. Im Januar 1980 bekam ich für mich und meine Familie mit der Post die Ausreiseerlaubnis. In der Deutschen Botschaft in Warschau erhielten wir dann das Visum für die Ausreise in unsere polnischen Pässe.(weiter auf der 2. Seite)

Klicken führt zum'Zeitstrahl' der AusstellungZur 200-Jahr-Feier der Stadt Remscheid stellte Heike Hildebrandt vom damaligen Migrationsbüro der Stadt eine Ausstellung („Zeitzeugen-Projekt“) zusammen mit Schilderungen zahlreicher „Zeitzeugen der Zuwanderung“, deren neue Heimat Remscheid geworden war. Das ist jetzt zehn Jahre her. Doch die Geschichten sind es wert, nach vorne gestellt zu werden. Denn darin erzählen die „Zugereisten“, warum sie ihre Heimat verlassen haben, wie sie hier in Remscheid ankamen, welche Erwartungen, welche Hoffnungen, welche Enttäuschungen sie erlebten und warum sie sich trotzdem mit Remscheid verbunden fühlen. Zuwanderung begann aber nicht erst mit den "Gastarbeitern", sondern schon Ende des 19. Jahrhunderts mit italienischen Straßenbauern. Und nach dem nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Vertriebene, Flüchtlinge und Heimatlose.
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