Frage: Als Sprecher der DOC-kritischen Bürgerinitiative Lennep standen Sie schon viele Male im Blick der Öffentlichkeit. Als Gewerkschafter kaum. Das hat sich nun geändert seit Ihrer Wahl zum Vorsitzenden des DGB-Stadtverbands Remscheid im Januar. Eine klare Sprache ist in beiden Ämtern von Vorteil, wie Sie beim Arbeitnehmerempfang am 30. April und bei der Mai-Kundgebung einen Tag später bewiesen haben. Aber reicht für beides die Zeit? Zumal Sie im Hauptberuf ja auch stellvertretender Betriebsratsvorsitzender sind.
Antwort: Der zeitliche Aufwand für die Bürgerinitiative (BI Lennep) ist mittlerweile stark zurückgegangen, die Geschichte wird vor Gericht entschieden. Der weitere Handlungsbedarf ist überschaubar, außerdem sind wir als BI so aufgestellt, dass die Arbeit auf mehrere starke Schultern verteilt ist. Als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bin ich nicht freigestellt, sondern gehe einer, wenn man so will, normalen Arbeit nach. Ich denke, dass die Zeit für beides reichen wird.
Frage: Peter Lange, der Gewerkschafter. Zu einem klaren Bild von Ihnen fehlen Außenstehenden noch ein paar Konturen. Seit wann sind Sie Gewerkschafter, was hat Sie dazu bewogen, wo engagier(t)en Sie sich?
Antwort: Ich habe mein Arbeitsleben in einer Firma begonnen, in der es weder Betriebsrat noch Gewerkschaft gab, Hire und Fire war an der Tagesordnung. Wurde man krank, drohte die Kündigung. Um dies zu ändern bin ich 1986 in die Gewerkschaft eingetreten und habe damals um die 100 Kolleginnen und Kollegen für die Gewerkschaft geworben. Zusammen haben wir dann versucht dort einen Betriebsrat zu gründen. Die ganze Sache ging leider schief, und der Arbeitgeber hat mich rausgeschmissen. Die Rolle der betroffenen Gewerkschaft würde ich heute als unglücklich bezeichnen. Dies war im Nachhinein allerdings ein großes Glück, weil ich dann beim Vorgänger meines jetzigen Arbeitgebers angefangen habe. Hier war die IG Metall stark organisiert und es gab einen starken Betriebsrat. Ich habe mich dann nach einer Weile als gewerkschaftlicher Vertrauensmann engagiert, später, seit ca. 1998, als Betriebsrat.
Frage: Ist die Gewerkschaftsarbeit im Betrieb schwieriger geworden? Gegenüber dem Arbeitgeber und / oder gegenüber der Belegschaft?
Antwort: Früher waren die Firmenzentralen in der Regel vor Ort, die Entscheidungswege waren übersichtlich und kurz. Bei einem international agierenden Unternehmen sind die Entscheidungswege lang, Entscheidungsträger sitzen oft nicht vor Ort, so ziehen sich viele Entscheidungen sehr lange hin. Die Ausarbeitung und Verhandlung von Gesamtbetriebsvereinbarungen zum Beispiel dauert nicht selten mehrere Jahre. Außerdem dreht sich heute alles extrem um Kosten, verschiedene Fertigungswerke eines Unternehmens stehen oft weltweit in Konkurrenz zueinander.
Was die Belegschaft angeht, so leiden die Kolleginnen und Kollegen häufig unter Stress, da mit immer dünneren Personaldecken gearbeitet wird. Fälle von Burn Out Syndrom sind keine Seltenheit. Außerdem gibt es jetzt verschiedene Gruppen von Mitarbeitern, die Stammbelegschaft mit unbefristeten Verträgen, befristet Beschäftigte und Leiharbeitnehmer. All diesen Gruppen muss man als Betriebsrat gerecht werden und bei Problemen zur Seite stehen.
Frage: Es heißt gelegentlich, die politische Farbenleere in den Gewerkschaften verwische sich. Aus Rot wird Grau, wenn nicht sogar Schwarz. Werden auch Remscheider Gewerkschaften von Anhängern rechter Parteien und Gruppen infiltriert?
Antwort: Im Moment sieht es so aus, dass die Remscheider Kolleginnen und Kollegen hier ziemlich immun sind und sich nicht spalten lassen, dafür bin ich sehr dankbar und hoffe, dass dies auch zukünftig so bleibt. Wir wollen zumindest unseren Teil dazu tun.
Frage: Die Gewerkschaft in der Verteidigung der einstigen sozialen Ideale?
Antwort: Ja natürlich, die Gewerkschaften haben die Arbeitswelt humanisiert und sich auch für einen starken Sozialstaat eingesetzt. Dies muss auch so bleiben. Die Schere zwischen Arm um Reich geht immer weiter auseinander, auf der einen Seite gibt es Leute, die Geld wie Heu haben und gar nicht mehr wissen wohin damit, auf der anderen Seite leben immer mehr Menschen in Armut, damit kann ich mich als Gewerkschafter nicht abfinden, dass muss sich ändern.
Frage: Was sehen Sie persönlich als Ihre Hauptaufgaben als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und als Vorsitzender des DGB-Stadtverbandes?
Antwort: Als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bin ich Bestandteil eines starken Teams von mehreren Kolleginnen und Kollegen, ich kümmere mich dort hauptsächlich um Arbeitssicherheits- und Gesundheitsthemen.
Als Vorsitzender des DGB Stadtverbandes sehe ich thematisch natürlich den Kampf gegen Rechts als eine große Aufgabe an, aber auch die soziale Ungleichheit muss stärker in den Fokus genommen werden.
Der DGB in Remscheid muss wieder sichtbarer werden. Wir haben im Stadtverband sehr viel Kompetenz aus den einzelnen Mitgliedsgewerkschaften, die müssen wir nutzen um uns in Diskussionen einzubringen oder auch Themen zu setzten.
Eine weitere Überlegung betrifft die Schulen, hier könnte ich mir vorstellen, in zehnten Klassen über das Betriebsverfassungsgesetz, Tarifverträge und die Betriebsratsarbeit aus erster Hand zu berichten. Hier herrscht doch zum Teil große Unkenntnis.
Unser Ziel als Stadtverband muss es sein, dass die Mai Demo in den nächsten Jahren länger und jünger wird.
Frage: Die Werbung neuer Mitglieder stelle ich mir sehr schwierig vor. Wie lassen sich gegenwärtigen Azubis denn noch am ehesten für die Gewerkschaftsidee interessieren?
Antwort: Ja, die Werbung von neuen Mitgliedern ist schwierig. Azubis scheinen mir da noch am zugänglichsten, hier kommt es allerdings darauf anm sie langfristig zu binden.
Problematisch ist, dass viele Kolleginnen und Kollegen eine Kosten-Nutzenrechnung aufmachen, die leider vieles, was die Gewerkschaften in der Vergangenheit bereits erreicht haben und von vielen heute als selbstverständlich erachtet wird, nicht mit einbezieht. Dadurch fällt die Entscheidung häufig gegen eine Mitgliedschaft aus.
Frage: Ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die Gewerkschaften in Deutschland und hier in Remscheid in 20 Jahren?
Antwort: Das ist schwierig zu sagen, hier kommt es ja in erster Linie auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung an, die Folgen von Industrie 4.0, Crowdworking usw. sind noch nicht absehbar. Eines ist allerdings sicher, die Ziele gewerkschaftlicher Arbeit, wie der Kampf für eine faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen, bleiben die, die sie immer waren.
Erreichen und erhalten können wir diese nur in einer solidarischen und demokratischen Gesellschaft, wo einer für den anderen einsteht unabhängig von Religion, Alter und Herkunft usw. Wenn wir uns in viele kleine Interessengruppen aufspalten lassen, werden wir verlieren.