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Gedenkstätte „Pferdestall“ nimmt Gestalt an

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von Olaf Wiegand, stellvertretender Leiter des Ernst–Moritz–Arndt Gymnasiums

In den vergangenen Schuljahren haben Schülerinnen und Schüler des Ernst–Moritz–Arndt Gymnasiums (EMA) in Ergänzung des Unterrichts in der Schule, bei Studienfahrten und Unterrichtsgängen regelmäßig die Gedenkstätten für den nationalsozialistischen Terror kennengelernt, u.a in Wuppertal, Köln, Düsseldorf oder jüngst auch die „NS-Dokumentation Vogelsang“ in der Eifel. Sie beklagten, dass es in Remscheid – anders als in den umliegenden Kommunen – keine Gedenk- und Bildungsstätte gibt, obwohl durch die Arbeit von Lokalhistorikern und durch ihre eigenen Recherchen das menschenverachtende Wirken der Nationalsozialisten in dieser Stadt  belegt und auch den jüdischen Schülern der EMA bekannt ist. So könnteb ein Siignet für die künmftige Gedenk- und Bildungsstätte 'Pferdeststall' aussehen. Der Entewutrf dstammt von der EMA.Im Mai wandten sich die Schülerinnen und Schüler an Oberbürgermeister Burkhard Mast und die damalige Polizeipräsidentin Wuppertals, die heutige Regierungspräsidentin der Bezirksregierung Düsseldorf, Frau Birgitta Radermacher, mit der Initiative, im ehemaligen Pferdestall des Polizeigebäudekomplexes  am Quimperplatz eine Gedenk- und Bildungsstätte zu errichten (in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 diente das Gebäude als Gefangenenlager für verhaftete Remscheider, meist Juden sowie Sinti und Roma.  .Entwürdigt mussten sie dort bis zum Tag ihrer Deportation ausharren). Beide sagten zu,  an dieser Stelle die Präsentation von zwei temporären Ausstellungen zu unterstützen, um so das Anliegen der Schülerinnen und Schüler publik zu machen.

Zur Vorgeschichte des Projekts „Pferdestall“

Vor einigen Jahren lernte Schulleiter Hans Heinz Schumacher Siegmund Freund kennen, einen ehemaligen jüdischen Schüler des früheren Staatlichen Realgymnasiums. Er war aus Frankfurt angereist, um vor dem Haus seiner von den Nazis ermordeten Eltern an der Blumenstraße Stolpersteine niederzulegen. Freund kam damals zu einem langen Gespräch in die Schule, an dem auch Geschichtslehrer Klaus Blumberg und einige Schüler/innen teilnahmen. Da der Gast von mehreren jüdischen EMA-Schülern gesprochen hatte, suchte Stephanie Licciardi, 2006/07 Schülerin der Jahrgangsstufe 13, für eine Projektarbeit im Schularchiv nach diesen Schülern. Das erwies sich als unerwartete Fundgrube, da dort u.a. die Abiturarchivalien zurück bis 1900 aufbewahrt werden. So fanden sich schnell die beiden anderen jüdischen Schüler entdecken, von denen Freund berichtet hatte.

Die Projektarbeit an führte 2007 zu einer Prämierung durch den Bergischen Geschichtsverein und zu Stolpersteinverlegungen vor dem Eingang der EMA in Erinnerung an die beiden Schüler Helmut Lazer und Siegmund, gen. Simon, Häusler, die von den Nazis deportiert und ermordet worden waren.

Bei dieser Stolpersteinverlegung am 31. Oktober 2007 beschloss Geschichtslehrer Klaus Blumberg mit interessierten Schüler/Innen der JG-Stufe 10 und 12, in der Projektgruppe „Stolpern an der EMA" die jüdischen Schüler der EMA weiter zu erforschen, damit ihnen allen ehrend und mahnend gedacht werden könne. Innerhalb von knapp zwei Jahren konnten für die Zeit von 1900 bis 1938 am Realgymnasium bzw. der Ernst-Moritz-Arndt-Oberschule für Jungen 35 jüdische Schüler gefunden und ihr Schicksal weitgehend untersucht werden.

Zum mahnenden Gedenken an 35 ermordete und emigrierte jüdische Schüler der EMA wurde am 14. Dezember 2010 der so genannte „Freund-Baum" im Eingangsbereich des Gymnasiums feierlich enthüllt. Seit 2012 erforscht die Geschichts-AG  der Oberstufe das Schul-Leben der EMA seit dem 1 .Weltkrieg; die Aktivitäten der Lehrerschaft und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus und den Neuanfang / Wiederbeginn nach 1945. Schüler/innen der Klasse 9d berichteten in der Geschichts-AG im Juni 2016 über ihre Geschichts-Exkursion zu Remscheider Stolpersteinen mit Jochen Bilstein und Frieder Backhaus dem Autor und Herausgeber der „Geschichte der Remscheider Juden“. Diese Exkursion hatte beim ehem. Pferdestall der ehemaligen Polizei-Kaserne an der Uhlandstraße geendet.

„Um dort eine Gedenkstätte zu realisieren, brauchen wir noch reichlich Unterstützung“, weiß EMA-Schülersprecher Francesco Lo Pinto. „Dies kann auch in Form einer Spende geschehen!“ Hier die Kontodaten: Bergischer Geschichtsverein, IBAN: DE 68 3405 0000 0000 2600 18. Doch wichtiger als Geld erscheint zunächst die Zustimmung des Gebäudebesitzers. Das ist nicht die Polizei; sie ist selbst nur Mieter, sondern der Bund bzw. als Verwalter des Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB). Da dürften sicherlich noch viele dicke Bretter zu bohren sein. Aber dieses Schülerprojekt ist aller Mühen wert.

 Eröffnet werden die Ausstellungen   am Jahrestag des Novemberpogroms, am 9. November, um 13 Uhr. Dabei handelt es sich zum einen um die Wanderausstellung „Vor aller Augen“ der Stiftung „Topografie des Terrors“. Diese deutsch-englische Ausstellung zeigt Fotodokumente des nationalsozialistischen Terrors in der Provinz auf der Basis einer bundesweiten Recherche in Regional- und Lokalarchiven, darunter auch im Stadtarchiv Remscheid. Und zum anderen um die von den Schülerinnen und Schülern der EMA  mit Unterstützung von Lokalhistorikern und von Lehrkräften erstellte Ausstellung zu der sogenannten „Polenaktion“ und der Pogromnacht in Remscheid. Beide Ausstellungen sollen für vier Monate in dem ehemaligen Pferdestall der Polizei zu sehen sein. Schülerinnen und Schüler der EMA werden sich zu Guides ausbilden lassen, um an den Ausstellungen interessierte Jugendliche und Erwachsene (aus Schulen, Jugendorganisationen, Gewerkschaften, Parteien, Kirchen, Aus- und Fortbildungseinrichtungen der Polizei und Justiz etc.) an dem historischen Ort die Themen der Ausstellungen zu erläutern. Damit soll an die Verfolger und Verfolgten zwischen 1933 und 1945 in Remscheid erinnert werden. Auch sollen diese Ausstellungen jedermann eine Möglichkeit des Gedenkens geben.

Das übergeordnete Ziel der Schülerinnen und Schüler ist es, dass über die temporären Ausstellungen hinaus eine dauerhafte Gedenk- und Bildungsstätte „Pferdestall“ in Remscheid errichtet wird. Dieses Ziel wird nicht nur von der Schulleitung, sondern auch von Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz und Alfons Ackermann als Vorsitzendem des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Remscheid, unterstützt. Gedacht ist im einstigen „Pferdestall“ an eine langfristig wissenschaftliche Dauerausstellung, die die Stadtgeschichte im Nationalsozialismus und ihre Vor- und Nachgeschichte in Grundzügen dokumentiert und die Geschehnisse am historischen Lernort "Pferdestall" begreifbar macht. Ergänzt werden könnte die Dauerausstellung durch wechselnde Themenausstellungen.


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