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Der Tagestreff für Wohnungslose hat eine bewegte Geschichte

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Im Hintergrund der Eingang zum Tagesterff für Obdachlose. Foto: Lothsr Kaiser„Ohne den ‚Tagestreff‘ hätten manche keinerlei Kontakte“, titelte der Waterbölles am 28.März 2009, nachdem der Caritasverband Remscheid e.V. mit seinem Geschäftsführer Werner Fußwinkel (Foto links) den Jahresbericht 2008 seines Fachdienstes „Wohnungsnotfallhilfen“ vorgestellt hatte. Dieser „Tagestreff“ in den Räumlichkeiten Schüttendelle 40 / Grunerstraße 7 steht Wohnungslosen und Menschen mit keinen oder wenigen sozialen Kontakten an 365 Tagen im Jahr offen - montags bis freitags zwischen 8 und 15 Uhr sowie samstags und sonntags zwischen 8 und 12 Uhr. Der Treff hat eine bewegte Geschichte. Vorgänger war die „Wärmestube“. Sie wurde in den 1980er Jahren in einem ehemaligen Ladenlokal im „Stadthof“ an der oberen Alleestraße eingerichtet und zog 1995/96 an die Kronprinzenstraße um, damals noch in der Trägerschaft des Diakonischen Werkes Remscheid. Im Sommer 2001 wechselte die „Wärmestube“ zum Caritasverband Remscheid, hieß fortan „Tagestreff“ und war der Beratungsstelle für alleinstehende wohnungslose Frauen und Männer angegliedert. Im Herbst 2006 übernahm der Verein BAF e.V. die „Personalbewirtschaftung“. Seit September 2007 befindet sich der „Tagestreff“ an der  Schüttendelle – in unmittelbarer Nachbarschaft zur  Notschlafstelle, ebenfalls bislang in der Regie der BAF e.V., und den städtischen Räumen zur Unterbringung Wohnungsloser.

„An Einsparungen bei der B.A.F. ist derzeit nicht zu denken“, teilte die Stadtverwaltung im Dezember 2013 mit, als der Etat der Stadt nach Einsparmöglichkeiten durchforstet wurde. Denn schon damals zeichnete sich ab, dass die Zahl der Flüchtlinge in der Stadt steigen werde. Da war an eine Personaleinsparung beim BAF e.V. (Begegnen, Annehmen, Fördern) nicht zu denken. Der Verein ist seit 1996 mit der Hausverwaltung der städtischen Übergangsheime und der Betreuung der Flüchtlinge betraut. Der vertraglich vereinbarte Personalbestand der B.A.F. sieht 29 Vollzeitstellen vor, darunter die Stelle der Geschäftsführung, drei Sozialarbeiter (2,8 Planstellen) und 26 Stellen für die Hausverwaltung. Dass insbesondere die Sozialarbeiter dem Ansturm der Flüchtlinge kaum noch gerecht werden können und längst „auf dem Zahnfleisch gehen“, betonte BAF-Geschäftsführerin Daniela Krein am 9. Januar, als sie eine Gruppe örtlicher Politiker durch das Übergangsheim Wülfingstraße führte., Entlastung versprach sie sich damals von den für den „Tagestreff“ abgestellten Mitarbeiter, sobald dieser wieder vom Caritasverband Remscheid mit versorgt werde, der schon seit 1981 in der Wohnungslosenhilfe tätig ist.

Dieser Übergang ist inzwischen vollzogen worden. Darüber berichteten auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag vor Ort Thomas Neuhaus, Sozialdezernent der Stadt Remscheid Werner Fußwinkel, Vorsitzender des  Caritasverbandes und Ute Schlichting, Leiterin der Beratungsstelle für Wohnungslose und zuständig nun auch für den „Tagestreff“. Mit dabei Oliver Witte von der „Remscheider Tafel“, die in dem niederschwelligen Treff für ein Frühstück sorgt, das täglich zwischen 20 und 30 Hilfsbedürftige dankbar in Anspruch nehmen - für manche die einzige Mahlzeit des Tages. Gerne angenommen wird auch das Angebot der Körper- und Wäschepflege (Duschen / Waschmaschinen). Ute Schlichting: „Zu uns kommen immer wieder auch Menschen, denen in der eigenen Wohnung der Strom abgestellt worden ist, weil sie die Rechnung nicht bezahlen konnten!“

Die nach Abzug der BAF-Mitarbeiter vakanten sozialversicherungspflichtigen Betreuerstellen im „Tagestreff“ sind inzwischen befristet wieder besetzt - durch zwei Langzeitarbeitslose und eine Mitarbeiterin auf 400 Euro Basis. Die neuen Mitarbeiter haben sich gleich so in die Arbeit gestürzt, dass Ute Schlichting hellauf begeistert ist: „Die kommen auch bei den Besuchern gut an; die lieben sie!“ Durch 55.000 Euro aus dem Etat der Stadt Remscheid sind die drei Stellen zunächst gesichert bis 31. Dezember. Aber eine Entspannung der Flüchtlingslage ist nicht abzusehen; im Gegenteil!

Dass die Pressekonferenz ausgerechnet am „Welttag der sozialen Gerechtigkeit“ stattfand, war Zufall. Am Morgen hatte NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider bestätigt, dass die Zahl der von Armut bedrohten Menschen im Land weiter zunimmt. Nach Zahlen des Paritätischen Gesamtverbands galten im Jahr 2013 schon 17,1 Prozent der NRW-Bürger als arm. Damit stieg der Anteil der armen Menschen innerhalb eines Jahres um fünf Prozent, in den vergangenen sieben Jahren sogar um 23 Prozent, teilte der Verband in Berlin am gleichen Tage mit. Damit breite sich die Armut in NRW mehr als doppelt so schnell aus wie im Bundesdurchschnitt. Übrigens: Als arm gelten Menschen, die von weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens leben müssen. Das waren 2013 für einen Singlehaushalt 892 Euro und für eine vierköpfige Familie 1.873 Euro.

Dass im vergangenen Jahr 386 Menschen (2013: 363) die Hilfe der Fachberatungsstelle für alleinstehende Menschen in Anspruch nehmen mussten, mache ihn betroffen, bekannte Sozialdezernent Thomas Neuhaus. Das sei ein Zeichen dafür, dass die Armut aus dem Stadtbild zwar nahezu verschwunden sei, im Stillen aber weiter existiere und sogar zunehme. Die Beratungsstelle bietet, so Ute Schlichting, unmittelbare Hilfestellungen zur Teilnahme am Leben an wie Konto, Postanschrift und materielle Absicherung durch Inanspruchnahme sozialer Leistungen an. Offene Sprechstunden (Eingang „Tagestreff“) sind montags, dienstags und donnerstags von 9 bis 11 Uhr und mittwochs von 14 bis 16 Uhr.

Die wachsende Armut in Remscheid bekommen auch die ehrenamtlichen Mitarbeiter der „Remscheider Tafel“ zu spüren. Auf deren Lebensmittelausgaben sind mittlerweile 2.100 Personen (nebst ihren Familienangehörigen) angewiesen. Derzeit kommen täglich bis zu 100 Bedürftige zur Tafel. Dem Bedarf entsprechend soll im August in Hasten eine weitere Ausgabestelle eingerichtet werden. Das Problem: „Die Zahl der Lebensmittel-Sponsoren steigt nicht in gleichem Maße wie die Zahl der Bedürftigen“, so Oliver Witte. „Bei 2.500 Abnehmern werden wir wohl die Schmerzgrenze erreicht haben!“


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